In vielen Fällen lassen sich auf Basis der GOÄ Ziffernausschlüsse nicht umgehen, auch wenn mehrere Krankheiten behandelt wurden. So kann die Ziffer 1 nicht mehrmals für eine Sitzung abgerechnet werden, bloß weil in dieser Sitzung mehrere Diagnosen thematisiert wurden. Ein Ansatz mehrfach am Tag ist prinzipiell möglich, dies muss dann aber mit der (abweichenden) Diagnose für den zweiten Kontakt und der Uhrzeit begründet werden. Auch die Ziffer 5 kann nicht einfach mehrfach innerhalb einer Sitzung berechnet werden, nur weil man mehrere symptomzentrierte Untersuchungen durchgeführt hat. Es muss dann ggf. eine der höherwertigeren Ziffern (7, 8 ) zum Ansatz gebracht werden, wenn die entsprechende Leistungslegende erfüllt ist. Ein mehrmals täglicher Ansatz wäre nur mit medizinischer Begründung und Angabe der jeweiligen Uhrzeit der Untersuchung möglich.
Die Fallstrukturierung von MO entstammt nicht der GOÄ sondern ist ein Konzept innerhalb von Medical Office. Maßgeblich für die Abrechnung nach GOÄ ist allein, was in der GOÄ selbst steht, mit den zugehörigen Begrifflichkeiten wie "Sitzung", "Behandlungsfall" etc. Von diesen Regeln kann MO auch nur Teile abprüfen. So wird z.B. ein mehrfacher Ansatz der "1" manchmal angemahnt, wenn er nach GOÄ doch möglich wäre. Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrungswelt:
Der Ansatz der Ziffern 1 und 3306 nebeneinander ist nur einmal im Behandlungsfall (d.h. pro Monat, wegen derselben Erkrankung) möglich. MO kennt aber das Konzept des GOÄ-Behandlungsfalles nicht, sondern für MO ist alles ein "Behandlungsfall", was sich innerhalb eines MO-Privatfalles abspielt, egal wie lange der gültig ist (wir rechnen bspw. auch mit unseren Privatpatienten nur quartalsweise ab, Fälle gehen also über etwa drei Monate). Auch die Bedingung einer weiteren Krankheit wird von MO nicht umgesetzt/geprüft. Ich erhalte also immer Warnungen bei Nebeneinander-Abrechnung von 1 und 3306, falls ich dies im selben Fall schon einmal getan habe, auch wenn ich eine neue Diagnose (bspw. Blockierung einer anderen Wirbelsäulenregion) vergeben habe oder mehr als ein Monat seit dem letzten Ansatz verstrichen ist.
Zu beachten, weil es sich günstig für die Abrechnungsmöglichkeiten auswirken kann, ist zudem Folgendes: Die GOÄ kennt keine Berufsausübungsgemeinschaften, sondern lediglich einzelne Ärzte. Anders als beim EBM üblich, kann/muss also jeder einzelne Arzt dem Patienten eine Rechnung schreiben (und nicht die Praxis als solche). Wurde ein Patient am selben Tag also von zwei unterschiedlichen Kollegen der Praxis gesehen und behandelt, so können auch beide eine Rechnung mit entsprechenden Ziffern (1,5, etc.) schreiben, selbst wenn sie in die Behandlung derselben Erkrankung eingebunden waren.
Fazit: Bei Privatfällen sollte man sich nicht auf die MO-Prüfmechanismen verlassen, da sie nur eingeschränkt funktionieren. Eine Kenntnis der GOÄ-Systematik inklusive der häufig genutzten Ziffern ist für eine gute Abrechnung unentbehrlich, z.B. auch um zu wissen, wann man den Patienten lieber noch einmal einbestellen sollte (z.B. nach einem ausführlichen, krankheitsbezogenen Gespräch, Ziffer 3, wenn der Patient jetzt aber auch noch Impfungen haben will -> muss er anderntags wiederkommen, kann man sonst nicht abrechnen). Aus Gründen der Übersichtlichkeit nutzen wir persönlich nicht einen MO-Privatfall je Krankheit (auch wenn das der GOÄ-Behandlungsfalldefinition am nächsten käme), denn wir sind Hausärzte und viele unserer Patientinnen und Patienten haben mindestens eine Handvoll Diagnosen und es ist manchmal nicht leicht abzugrenzen, welche der Diagnosen jetzt der heutige Anlass für die Vorstellung war...
VG Julian Hartig